Dienstag, 30. Oktober 2012

Von der ruhe vor einer pressekonferenz, von wissenschaftlichen beweisen und von unsichtbaren zuschauern


Liebe freunde und freundinnen des gepflegten volleyballs,

es ist ja verdächtig ruhig gewesen in der letzten zeit rund um das leidige thema „tägliche turnstunde“, und die anzahl der unterschriften wächst auch nicht mehr so schnell wie noch vor einigern wochen. Und von uhpir war in der vergangenen woche nichts zu hören und zu lesen zum thema, kein aufsatz, keine seminararbeit, keine wissenschaftliche abhandlung. Apropos wissenschaftlich: Möglicherweise hat die ruhe auch damit zu tun, dass uhpir meine anregung ernst genommen hat, und nun ganz eifrig wissenschaftliche arbeiten als belege für seine behauptung, dass es wissenschaftlich nachweisbar sei, dass kinder, die „man bewegt“, nach der streichung einer mathematikstunde oder einer deutschstunde am ende des schuljahres bessere ergebnisse in diesen gegenständen erzielten als kinder die mehr mathematik- und deutschstunden hatten sich aber weniger bewegten, sucht. Oder war uhpir mit der organisation einer pressekonferenz beschäftigt, für deren ankündigung wieder einmal die övv-homepage herhalten musste (http://www.volleynet.at/News/0000080378). Und in dieser pressekonferenz, die sogar in orf sport+ live übertragen werden wird, treten die selbsternannten und sonstigen experten zum thema tägliche turnstunde in geballter ladung auf. Da wimmelt es geradezu von präsidenten und direktoren und professoren, dass es einem ganz schwindlig werden könnte. Besonders schwindlig wird es einem werden, wenn uhpir uns – wie auf der övv-homepage angekündigt - erklären wird was sport der wirtschaft bringt. Vermutlich berichtet er da als hhvmir vom wirtschaftlich überaus erfolgreichen modell seiner hotvolleys. Und außerdem wird er uns erklären, dass wir für die tägliche turnstunde nicht mehr unterrichtsstunden benötigen. Sein sogenanntes konzept für die turnstunde mathematik- und deutschstunden zu opfern habe ich ja letzte woche hier schon verrissen. Das erspare ich mir. Aber dann werden auch noch beweise angekündigt, die ein herr dr. schober, seines zeichens kinder- und jugendchirurg, erbringen wird, warum die tägliche turnstunde ein muss ist. Das ist zwar sprachlich, möglicherweise wegen bereits gekürzter deutschstunden, nicht ganz schlüssig, aber man darf trotzdem gespannt sein. Ich habe mir die mühe gemacht die renommierte suchmaschine der us library of medicine und des national institute of health für wissenschaftliche literatur  dazu zu verwenden, nach relevanten artikeln von dr. schober zum thema turnen zu suchen (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/). Sehr ergiebig war die suche nicht. Außer einigen artikeln zu chirurgischen prozeduren habe ich einen artikel von dr. schober über schulunfälle in österreich gefunden (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17611761). Die meisten unfälle passierten laut dieser studie, nicht überraschend, im turnunterricht. Wie weit diese arbeit dr. schober zum experten macht, der uns „beweise“ für die einführung der täglichen turnstunde liefern soll, sei dahingestellt. Apropos beweise: mit diesem terminus hat uhpir ja so eine probleme. Streng genommen gibt es in der wissenschaft keinen beweis, sondern nur wahrscheinlichkeiten, die sich mit statistischen methoden berechnen lassen, aber um die zu erlernen braucht man leider wieder ein paar von diesen urfaden und saublöden mathematikstunden.

Mir ist es aber in der zwischenzeit gelungen, ganz prominente testimonials für die tägliche turnstunde aufzutreiben, die ich hier exklusiv veröffentlichen möchte. Ich muss schon zugeben, dass ich sehr davon beeindruckt bin, welche unterstützer uhpir für sein lieblingsprojekt gewinnen konnte. Da kann ja nichts mehr schiefgehen.


* Schaffen wir eine, zwei,viele turnstunden (da hat sich der gute fidel ein zitat von che guevarra ausgeborgt und es leicht modifiziert).

In wahrheit ist es aber so, dass es durchaus auch prominente gegenstimmen zu dieser initiative gibt. So zeigt sich ronald leitgeb wenig begeistert von der initiative. Auch die anzahl der gesammelten unterschriften beeindruckt leitgeb im vergleich zu der mitgliederzahl von 3 millionen der die aktion unterstützenden verbände askö und asvö nur mäßig (http://www.laola1.at/de/sport-mix/mehr-sport/sonstiges/leitgeb-von-taeglicher-turnstunde-nicht-begeistert/page/36086-320-107-189-.html). Lustig wird es dann, wenn man diesem link folgt und auch die kommentare liest. Ein user „littleman“ (na wer das wohl ist) erklärt dort die negative reaktion von leitgeb mit verletzter eitelkeit. Da spricht littleman wohl aus eigener erfahrung.
Durchaus kritisch mit der kampagne zur einführung der täglichen turnstunde setzt sich in einem artikel in der tageszeitung die presse auch johann skocek auseinander, dessen falter-artikel zum thema ich in meinen letztwöchigen eintrag einkopiert hatte (http://diepresse.com/home/sport/zeitlupe/1303747/Denn-sie-wissen-nicht-was-sie-sollen). Er fragt mit recht an wen sich eine von allen 183 parlamentsabgeordneten unterstützte unterschriftenaktion richtet. An sich selbst, an die abgeordneten der jeweils anderen parteien. Vielleicht könnte uhpir, den skocek treffend als selbst ernannten kämpfer für das kindeswohl bezeichnet, diese fragen in der oben schon erwähnten pressekonferenz beantworten. Skocek beschäftigt sich mit dem thema übrigens auch in seinem blog (http://johannskocek.com/2012/08/21/schamen-sie-sich-frau-unterrichtsminister/, http://johannskocek.com/2012/10/25/denn-sie-wissen-nicht-was-sie-sollen/).

Warum uhpir so vehement für die kürzung der mathematikstunden eintritt hat möglicherweise mit der abrechnung der mit der eurovolley erwirtschafteten verluste zu tun aber vermutlich auch mit den unter http://www.wien.gv.at/statistik/lebensraum/tabellen/sportveranst-zr.html
veröffentlichten angeblichen zuschauerzahlen bei volleyballveranstaltungen in wien. Ein treuer leser hat mich auf diese hochleistungszahlenakrobatik aufmerksam gemacht. Der besseren anschaulichkeit halber habe ich die tabelle mit den zuschauerzahlen bei verschiedenen sportveranstaltungen in wien in den jahren 2009, 2010 und 2011 hier einkopiert.

Das muss man sich wirklich im detail anschauen. 2009 haben angeblich 11376 zuschauer 23 volleyball-veranstaltungen besucht, das wären nach einer einfachen schlussrechnung 494 zuschauer pro veranstaltung (für alle, die schon zu viele turnstunden hatten: man dividiert 11376 durch 234, ja und das kann man auch ohne taschenrechner). 2010 waren es 7013 zuschauer bei 18 veranstaltungen. Das macht 389 zuschauer pro spiel. Im jahr 2011 wird es etwa komplizierter. Von den 61788 muss man die angeblich 59300 zuschauer bei der eurovolley abziehen und von den 24 spielen muss man die 16 spiele bei der eurovolley in wien abziehen. Das macht dann 2488 zuschauer bei verbliebenen 10 spielen und damit 248 zuschauer bei jedem dieser 10 spiele (   http://www.eurovolley2011.com/de/news.html). Wie man bei den dürftig besuchten gruppen- und viertelfinalspielen dann trotzdem noch auf einen durchschnittlichen zuschauerschnitt von mehr als 4200 pro spiel der eurovolley in wien kommt ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen (http://sport.orf.at/stories/2079395/). Aber wie die zahlen aus den jahren 2009 und 2010 zustande gekommen sind grenzt an magie. Wo und wann, bitte sehr, sollen in diesen beiden jahren 41 volleyball-veranstaltungen in wien mit durchschnittlich zwischen 400 und 500 zuschauern stattgefunden haben? Das kann sich nicht einmal mit diversen schuläktschns ausgehen. In der datavolley-statistik finden sich keine spuren davon, die für die zuschauerzahlen und für die einnahmen (ja so ein eintrag ist im datavolley system möglich) vorgesehenen felder blieben über die jahre hin verlässlich leer. Auch im heuer auf der övv-homepage neu installierten livescoring system, das übrigens auch an diesem wochenende wieder einmal nicht einwandfrei funktioniert hatte, wird man, im gegensatz zum in der deutschen bundesliga verwendeten gleichartigen system, wo unmittelbar nach ende der spiele die zuschauerzahlen eingetragen werden, nicht den kleinsten hinweis auf die anzahl der  zuschauer (http://www.volleyball-bundesliga.de). Sind halt ein bisschen genauer und korrekter unsere nördlichen nachbarn, werden jetzt einige vielleicht sagen. Aber sogar in italien, wo man ja – um es vorsichtig zu formulieren – ein etwas entspannteres verhältnis zur genauen dokumentation hat, findet man zu jedem spiel der serie a nicht nur die zuschauerzahlen sondern – man höre und staune – auch die einnahmen (http://www.legavolley.it/?Lng=2). Und was bleibt als resume? Mehr fragen, auf die wir wieder einmal, wie auch auf die untenstehenden, keine antworten bekommen werden.

Wo bleibt die offizielle abrechnung der eurovolley?
Wer ist verantwortlich für die auswahl der werbeagentur, die die werbekampagne für die eurovolley kreiert hat?
Kann der övv pleite gehen?

Im übrigen bin ich der meinung, dass sich an der spitze des övv, und zwar ganz oben, zum wohle des österreichischen volleyballs möglichst schnell etwas ändern sollte.




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